Elektrifizierung des Haushalts. Der Kühlschrank
In den 1930er Jahren zog die Elektrizität in die badische Küche ein. Junker & Ruh produzierte ab 1930 auch Elektroherde. Aber die wichtigste technische Innovation der Vorkriegszeit war der elektrische Kühlschrank. Ab 1932 stellte die Firma Brown, Boveri & Cie. AG in Mannheim Haushaltskühlschränke her.
Eishäuser und Eiskeller mit Natureis hatte es früher vor allem auf dem Land gegeben. In die städtischen Haushalte zog der Eisschrank nach 1867 ein, als auf der Pariser Weltausstellung der erste mit Kunsteis gefüllte Kühlschrank für den Privathaushalt vorgestellt worden war. Große Verbreitung fand er nicht.
Mit dem Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) als Kältemittel war ab 1910 die Nutzung von Kompressorkühlschränken in Privathaushalten möglich geworden. Doch längst nicht jeder konnte oder wollte einen solchen Kühlschrank haben, der nicht nur ein in der Anschaffung und im Unterhalt sehr teures Gerät war, sondern auch die Verfügbarkeit eines häuslichen Stromanschlusses voraussetzte. Bis 1935 wurden in Deutschland weniger als 30.000 elektrische Kühlschränke produziert und verkauft, zumeist für den gewerblichen Bereich in Lebensmittelhandel und Gastronomie; bis zum Zweiten Weltkrieg besaß nicht einmal ein Prozent der Privathaushalte ein solches Haushaltsgroßgerät. Der Kühlschrank blieb als Luxusgegenstand Privileg einer begüterten Käuferschicht. Und noch 1960 verfügte nur die Hälfte aller deutschen Haushalte über einen elektrischen Kühlschrank.
Werbung tat not. Auch BBC Mannheim gab zur Eigenwerbung Kochbücher heraus – die schon Ende der 1930er Jahre erschienene Rezeptbroschüre Kalte Küche. Kühle Speisen und Getränke im elektrisch-vollautomatischen Sigma-Kühlschrank erklärt, wie ein Mürbe- oder Blätterteig vor dem Abbacken im Kühlschrank durchkühlt oder wie Pasteten, Sülze- und Cremespeisen nach der Zubereitung sofort im Kühlschrank erkalten müssen. Vor allem aber empfiehlt sie kalte Speisen und Getränke für die moderne Gastgeberin: „Das Leben wird auch froher mit dem Sigma-Kühlschrank, denn Eiswürfel für Erfrischungsgetränke, Gefrorenes, gut gekühlte Getränke zum Feierabend, wunderbar kühle Salate und Sülzen zum Abendbrot, alles dies gehört zu den großen Annehmlichkeiten, die der elektrische Sigma-Kühlschrank bietet. Guter Appetit und frohe Gesichter bei Tisch sind schönster Lohn und Dank der Hausfrau.“
„Kampf dem Verderb!“ Mit dem nationalsozialistischen Vierjahresplan 1936 wurde der Kühlschrank politisch in Dienst genommen. Die kühle und sichere Aufbewahrung von Lebensmitteln sollte Volksvermögen im Wert von angeblich 1,5 Milliarden Reichsmark jährlich vor dem Verderben schützen. Die Kampagne war Teil der Umstellung auf die spätere Kriegswirtschaft. Den Verkauf der für die meisten Haushalte noch unerschwinglichen Kühlschränke hat sie nicht effektiv befördert.
Ende der 1950er Jahre sorgten rationelle Fertigungsmethoden für einen Preisverfall. Innerhalb weniger Jahre wurde der elektrische Kühlschrank zum Alltagsgegenstand.
Lit.: BBC Mannheim [Text: Ulrich Günthner; Armin Hermann]. Mannheim: Brown Boveri & Cie AG, [ca. 1976]; Hellmann, Ullrich: Künstliche Kälte. Die Geschichte der Kühlung im Haushalt. Gießen 1990; Ders.: Höchst unauffällig. Der Aufstieg des Kühlschranks zur Perfektion und Unabdingbarkeit. In: Unter Null. Kunsteis, Kälte und Kultur. Hrsg. vom Centrum Industriekultur Nürnberg und dem Münchner Stadtmuseum. München 1991, S. 142-155; Ders.: Schockgefroren und gefriergetrocknet. Die Geschichte kalter Nahrungsmittel. In: Oikos. Von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel. Hrsg. Michael Andritzky. Gießen 1992, S. 228-245; Haase, Ricarda: Das Eis aus der Steckdose. Zur Geschichte des Kühlens und Gefrierens im Haushalt. In: Dies.: „Das bißchen Haushalt ...“? Zur Geschichte der Technisierung und Rationalisierung der Hausarbeit. Stuttgart 1992, S. 71-89; Stender, Detlef: Das Kühlschrank-Syndrom. Zur Kulturgeschichte des Kühlschranks. In: Das Paradies kommt wieder ...“. Zur Kulturgeschichte und Ökologie von Herd, Kühlschrank und Waschmaschine. Hrsg. vom Museum der Arbeit. Redaktion: Ursula Schneider und Detlef Stender. Hamburg 1993, S. 82-99; Teuteberg, Hans Jürgen: Die Geburt des modernen Konsumzeitalters. In: Essen. Eine Kulturgeschichte des Geschmacks. Hrsg. Paul Freedman. Darmstadt 2007, S. 257-259 [232-261].
Exponate:
12.1
Brown, Boveri & Cie. AG:
Werbeschreiben an den Elektroinstallateur Emil Ady in Halle an der Saale, Anfang 1939.
„Kampf dem Verderb“ heißt auch im Jahre 1939 die Parole!
Badische Landesbibliothek: 115 E 1307 Beilage
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12.2
Elektrisch-vollautomatische BBC-Sigma-Kühlschränke für Gewerbe- und Handelsbetriebe für Lebensmittel, Wirtschaftsbetriebe, Gaststätten, Großhaushalte u.s.w.
Mannheim: BBC Brown, Boveri & Cie, [1939].
Die Broschüre bietet Modelle für Fleischereien, Krankenhäuser und Lebensmittelhändler an: „Die Elektrokälte beschränkt die Verluste und den Verdienstausfall des Lebensmittelhandels auf ein Kleinstmaß, steigert Umsatz und Verdienst durch die Tatsache, daß die Verabreichung tadellose frischere Waren aus dem im Ladengeschäft aufgestellten Elektrokühlschrank ein hervorragendes Werbemittel ist.“
Badische Landesbibliothek: 115 E 1307
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12.3
Elektrisch-vollautomatische Gewerbekühlschränke für 110 bis 3000 Liter Inhalt.
Mannheim: BBC Brown, Boveri & Cie, [1939].
Badische Landesbibliothek: 115 E 1307
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12.4
Lebe gesund durch Elektrokühlung im BBC-Sigma-Kühlschrank.
Mannheim: BBC Brown, Boveri & Cie, [1939].
Hier vorgestellt werden Kühlschränke für den kleinen, mittleren und größeren Privathaushalt mit 90 bis 180 Litern Inhalt.
Badische Landesbibliothek: 115 E 1308
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12.5
Kalte Küche. Kühle Speisen und Getränke im elektrisch-vollautomatischen Sigma-Kühlschrank.
Mannheim: BBC Brown, Boveri & Cie, [1937].
Badische Landesbibliothek: 115 E 1003
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12.6
Kochanleitung. Eine Auslese bewährter Rezepte und Betriebsanleitung für den Sigma-Elektroküchenherd mit Anhang: Zeitgemäße Rezepte.
Mannheim: BBC Brown, Boveri & Cie A. G., [1939].
Die Abteilung Kleinfabrikate von BBC stellte auch Elektroherde her.
Badische Landesbibliothek: 115 H 1042
Vorbesitzerin: Hilde Killy
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© Badische Landesbibliothek 2016. Autorin: Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen
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