Henriette Davidis auf Badisch
Das populärste deutsche Kochbuch vergangener Zeiten ist das Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche von Henriette Davidis (1801-1876). Zu Lebzeiten seiner Autorin wurde es in 21 ständig überarbeiteten Auflagen gedruckt und in diverse europäische Sprachen übersetzt. Bis 1940 entstanden insgesamt 61 Auflagen.
Henriette Davidis war das zehnte von dreizehn Kindern einer Pfarrersfamilie aus Wengern an der Ruhr. Sie blieb unverheiratet und war über viele Jahre hinweg als Hilfskraft in den Haushalten ihrer Schwestern und Eltern tätig. Ab 1841 wirkte sie als Haushaltslehrerin an der Mädchenschule in Sprockhövel. Von dort aus veröffentlichte sie ihr Kochbuch im Jahr 1845 im Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld. Zum Erfolg dieses Kochbuchs trug sicherlich bei, dass es schon damals auch auf die Gruppe der Dienstboten als Käufer zielte, denen es sich als Grundlage einer soliden Kochausbildung und damit als Hilfsmittel zur beruflichen Qualifikation anbot.
Das Davidis-Kochbuch in seiner Bandbreite von Rezepten für alle Geldbeutel, von einfacher Volksküche bis zu feineren Gerichten der gehobenen Küche, von der Alltags- zur Festtagsspeise wurde stilbildend für das Genre des Kochbuchs im 19. Jahrhundert. Ebenso nachhaltig trug es bei zur Verfestigung des Ideals der bürgerlichen Hausfrau, das hier schon in allen Nuancen propagiert wurde.
Am Davidis-Kochbuch wollten viele mitverdienen. Nach Ablauf des Urheberrechts 1906 entstanden auch in Baden Nachdrucke. 1914 wurde eine Ausgabe als Gutscheinbuch für Karlsruher Brautpaare herausgegeben, das zugleich eine Fundgrube ist für schön gestaltete Werbung Karlsruher Geschäftsleute zum Ende des Kaiserreiches. Der ehemals badische Hofkoch Carl Schneider (1868-1949), nach dem Ende der Monarchie im Rechnungswesen des Kultusministeriums tätig, gab 1924 in Karlsruhe eine eigene Neubearbeitung heraus.
Lit.: Beruf der Jungfrau. Henriette Davidis und bürgerliches Frauenverständnis im 19. Jahrhundert. Hrsg.: Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund. Red.: Gisela Framke. 2. Aufl. Oberhausen 1990; Lesniczak, Peter: Alte Landschaftsküchen im Sog der Modernisierung. Studien zu einer Ernährungsgeographie Deutschlands zwischen 1860 und 1930. Stuttgart 2003, S. 130-134; Methler, Eckehard und Walter: Von Henriette Davidis bis Erna Horn. Bibliographie und Sammlungskatalog hauswirtschaftlicher Literatur. Wetter (Ruhr), 2001. S.1-66.
Exponate:
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11.1 Davidis, Henriette: Badische Landesbibliothek: 73 A 746 Nicht digitalisiert Die 3. Auflage von 1847 (Düsseldorf: Schaub) ist an der ULB Düsseldorf digital verfügbar. |
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11.2 Kochrezepte für die feine und bürgerliche Küche. Seit 1892 wurde das Davidis-Kochbuch laufend von Luise Holle neubearbeitet. Wie zur selben Zeit Marie Silbermann in Mannheim stellte Holle ihre Rezepte für verschiedenste Werbekochbücher zur Verfügung, z.B. für den Einkochapparat der Firma Arndt, den Elenos Saftbrater, für die Hochseefischerei Bade, für Dr. Oetker, Liebigs Fleischextrakt, Kaffee Hag u.a.m. Von 1906 bis 1950 nutzte auch die Feinkostfabrik Türk & Pabst in Frankfurt, die unter anderem Anchovis-, Herings- und Sardellenpaste, Mayonnaise, Remoulade und Tafelsenf in Tuben herstellte, die Rezepte von Davidis-Holle für Gratis-Werbekochbücher. Unter dem Titel Türk & Pabsts Kochrezepte für die feine und bürgerliche Küche erschienen zehn Auflagen. Sie alle waren vom Karlsruher Künstlerbund gestaltet, der in Karlsruhe eine Kunstdruckerei betrieb. Die Umschlaggestaltung stammte von dem in Karlsruhe und Baden-Baden tätigen Gebrauchsgrafiker Ivo Puhonny (1876-1940). Badische Landesbibliothek: 115 E 1024 Link zum Volltext |
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11.3 Kochbuch „Liebling“ für den feineren und bürgerlichen Haushalt. Dieses Kochbuch, als illustrierte Bearbeitung des Davidis-Kochbuchs, ist ein Gutscheinbuch, das Karlsruher Firmen an Brautpaare verschenkten. Vorangestellt sind 46 perforierte Preismarken-Blätter der verschiedenen Firmen, die bei jedem Einkauf genutzt und zum Abstempeln vorgelegt werden sollten. Wer bis zum 30. Dezember 1914 die Höchstzahl abgestempelter Marken vorweisen konnte, erhielt einen Preis von 300 Mark; weitere Preise gingen an diejenigen, die bis zum Verteilungstermin die größte Anzahl Adressen von nicht standesamtlich Verlobten einsendeten. Badische Landesbibliothek: 115 E 839 Link zum Volltext |
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11.4 Davidis, Henriette: Badische Landesbibliothek: 115 E 1145 Link zum Volltext |
© Badische Landesbibliothek 2016. Autorin: Dr. Julia Freifrau Hiller von Gaertringen
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